Detlef Hensche – ein Nachruf

Volker Fischer, Cornelia Hildebrandt

Detlef Hensche ist gestorben und damit ein wichtiger Kämpfer für soziale Gerechtigkeit, ein Gewerkschafter mit Weitsicht, Herz und Durchsetzungskraft.

Selten verknüpften sich in einer Person visionärer Führungsanspruch und Menschsein auf eine so positive Weise wie bei Detlef Hensche – unserem Genossen in Charlottenburg-Wilmersdorf.

Jederzeit war er ansprechbar im Umgang mit Kolleg*innen, Genoss*innen aber auch für Menschen, die ihm auf seinem Weg nur flüchtig begegneten.

Er wurde am 13. September 1938 in Wuppertal geboren. Seine Mutter stammte aus einer Industriellenfamlie, sein Vater war Kaufmann. Es war vor allem seine Mutter, die ihn mit ihrem aktiven Kampf gegen die Wiederbewaffnung Deutschlands Anfang der 1950er Jahre prägte.

Er studierte Rechts- und Staatswissenschaften und arbeitete anschließend an der Universität Bonn und im Bundesforschungsministerium. Mit seiner Anstellung am Wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der DGB-nahen Hans-Böckler-Stiftung begann seine berufliche Laufbahn, die nicht nur ihn, sondern viele Generationen nach ihm prägen sollte. Er wurde am WSI zunächst Betriebsrat und später Leiter der Abteilung Gesellschaftspolitik. Im September 1975 wurde er in den Hauptvorstand der Gewerkschaft IG Druck und Papier gewählt und war dort bis zu seiner Wahl zum stellvertretenden Vorsitzenden 1983 für die Öffentlichkeitsarbeit und später für die Tarifpolitik zuständig. Er war beteiligt an den verschiedenen aufeinanderfolgenden Fusionsprozessen in den Gewerkschaften von der IG Druck und Papier zur IG Medien, deren Vorsitzender er 1992 wurde und ebnete später die Bildung von ver.di.

Aber nicht nur für die Gewerkschaftsarbeit war er bedeutsam.

Aufgrund der Agenda 2010 unter Federführung der Schröderschen Sozialdemokratie mit ihren neoliberalen Hartz-IV-Gesetzen verließ er nach 40 Jahren die SPD, wurde Mitglied der WASG und zum Wegbereiter einer geeinten Linken.

Er schrieb zahlreiche Artikel, darunter auch zahlreiche für die Blätter für deutsche und internationale Politik, zu dessen Herausgeberkreis er zählte. Er war theoretisch fundiert arbeitende Praktiker oder besser – ein wirklicher organischer Intellektueller mit unglaublicher Weitsicht. Er hatte nicht nur einen gewissen Führungsanspruch, sondern war – auch wenn er das für sich nicht akzeptiert hätte – ein „Visionär“, dessen Fähigkeit darin bestand, Gedanken, Konzepte nicht nur zu entwickeln, sondern hierfür die strategische Nachdenkarbeit zu leisten für deren konkrete Umsetzung er gleichermaßen stand. Seine Fähigkeit zur Führung ergab sich aus seiner Fähigkeit mit vielen anderen Konzepte gemeinsam zu entwickeln und dann auch umzusetzen. Ja, er war auf diese Weise Avantgarde von jenem Format, dass wir so dringend brauchen.

Er war der theoretisch fundiert arbeitende Praktiker, der beides verband und doch seine Hauptaufgabe in der konkreten Praxis sah – es musste machbar also durch linke Interventionen durchsetzbar werden.

Für einen gewerkschaftlichen Politiker besaß er eine außergewöhnliche Eigenschaft: er konnte sich zurücknehmen, andere fördern, damit sie ebenfalls in der Lage sind, Aufgaben zu übernehmen und mit diesen zu wachsen. Detlef war ein kluger Mensch, der lehren und fördern konnte, ohne sich mit Plattitüden wie „Nachwuchsförderung“ aufzuhalten.

Albrecht von Lucke sagte über ihn: „Er hatte die Gabe, komplizierte Zusammenhänge prägnant auf den Punkt zu bringen, und war zugleich in den Debatten stets ein ausgleichender Faktor.“ Die Linke wäre ohne Menschen wie ihn nicht zusammengekommen. Es fehlt auch deshalb, weil diese Rolle in der Partei immer wieder neu wichtig bleibt.