Vortrag vor dem Sozialpolitischen Arbeitskreis der Linken in Charlottenburg-Wilmersdorf am 26.10.2017

Die „Hugendubelisierung“ der  Zentral- und Landesbibliothek Berlin

Peter Delin

In London wurde gerade in der British Library - das ist die britischen Nationalbibliothek -  eine große Harry-Potter-Ausstellungeröffnet. Am Eingang dieser Ausstellung hängt ein kleiner Zettel in Kinderschrift. Darauf steht:„Wegen der Spannung in diesem Buch habe ich mich innen ganz warm angefühlt. Ich glaube, das ist vielleicht eines der besten Bücher, die jemand lesen könnte, der 8 oder 9 Jahre alt ist“.

Diese fachkundige Rezension stammt von Alice, der damals achtjährigen Tochter des Bloomsbury-Verlegers Nigel Newton. Acht Verlage hatten das Manuskript von Joanne Rowlings „Harry Potter und der Stein der Weisen“ abgelehnt. Newton hörte aber auf seine Tochter und nahm am Tag nach ihrem Urteil Rowlings Buch an. Er setzte damit das gigantischste literarische Phänomen unserer Zeit in Gang, wie die Süddeutsche Zeitung schrieb.

Das beweist, dass die Theorie, der Flügelschlag eines Schmetterlings könne einen Wirbelsturm erzeugen, tatsächlich stimmt. Vielleicht gilt das ja auch für die Folgen unserer kleinen Veranstaltung heute Abend, in der es um die Bedeutung von Büchern in unserer Gesellschaft gehen soll und um die Rolle, die die Zentral- und Landesbibliothek Berlin, abgekürzt ZLB, für uns hier in Berlin dabei spielt.

Die Zentral- und Landesbibliothek ist anders

Die ZLB gibt es seit 1995. Sie entstand aus der Vereinigung der Berliner Stadtbibliothek in Ost-Berlin (eröffnet 1907) und der Amerika-Gedenkbibliothek in West-Berlin (eröffnet 1954) , beide in ihren jeweiligen Ländern die größte öffentliche Bibliothek .

Mit der ZLB schuf sich das Land Berlin eine einzigartige Einrichtung. Sie ist nicht nur die öffentliche Bibliothek mit dem größten ausleihbaren Buchbestand in ganz Europa, sondern sie hat auch eine enorm große Spannweitevon populären Büchern wie Harry Potter bis zu wissenschaftlichen Werken, die für die Allgemeinheit wichtig sind. Das ist und war in deutschen öffentlichen Bibliotheken schon immer ganz und gar unüblich. Selbst die Metropolenbibliotheken in Städten ab 500.000 Einwohnern wie z. B. Köln, Dortmund oder Stuttgart haben heute nur einen aktuellen Buchbestand der letzten10 bis max. 20 Jahre, sind kennzahlengesteuert, also wenig ausgeliehene Bücher werden weggeworfen, Ältere nicht aufgehoben und das Niveau nach oben ist auf Populäres begrenzt.

Wissen für alle oder nur für eine Elite

Die großen öffentliche Zentralbibliotheken in Deutschland haben hier eine gläserne Deckeeingezogen. Die Folge: Das Laienpublikum kommt an allgemein interessierende, wissenschaftliche Literatur und an qualifizierte Fachbücher nicht heran. Die bleiben akademischen Schichten in den wissenschaftlichen Bibliotheken, also in den Universitäten, oder auch in Spezialbibliotheken vorbehalten. Hier gibt es also eine klare Klassenteilung beim Zugang zu Wissen und Bildung.

Ein typisches Beispiel dafür ist das achtbändige „Handbuch des Antisemitismus“ von Wolfgang Benz, der lange Zeit das Zentrum für Antisemitismusforschung hier an der Technischen Universität in Berlin geleitet hat. Das Handbuch enthält das gesamte wissenschaftlich gesicherte Wissen zum Antisemitismus ohne zeitliche und räumliche Begrenzung. Wolfgang Benz hat an seinem Lebenswerk, das von 2008 bis 2015 erschienen ist, zehn Jahre lang gearbeitet. Bernhard Schulz schrieb dazu im Berliner Tagesspiegel: „... dass das Handbuch als Ganzes in allererster Linie ein Werk für Bibliotheken ist, gleich ob wissenschaftlicher oder allgemeinbildender Art. Und, das sei hinzugefügt, ein Triumph des gedruckten Buches mit seinem steten Anreiz zum Blättern und Weiterlesen ...“

Von den 15 deutschen Metropolenbibliotheken machen nur zwei dieses Werk allgemein zugänglich, das immerhin fast tausend Euro kostet und übrigens auch als eBook erhältlich ist: die Zentral- und Landesbibliothek Berlin und die Münchner Stadtbibliothek. Alle anderen öffentlichen Bibliotheken enthalten dieses Handbuch ihrem Publikum vor.

Das können nur Bücher

Das Beispiel zeigt, welche ungeheure Produktivität in Büchern steckt. Fachleute haben daran oft Jahre lang gearbeitet. Bücher machen uns dieses Wissen dann leicht zugänglich. Bücher sind tatsächlich das einzige Medium, das uns komplexe Zusammenhänge vermitteln kann. Mein Freund Jochen Dudek, der Leiter der Stadtbibliothek Nordenham, hat das einmal so auf den Punkt gebracht: „Es gibt Sieben-Seiten-Probleme und es gibt Siebenhundert-Seiten-Probleme.“ Die Siebenhundert-Seiten-Probleme können wir umfassend und systematisch gesammelt nur in Bibliotheken studieren. Und eines dürfen wir dabei nicht vergessen: Qualifizierte Information kostet Geld, viel Geld! Ohne öffentliche Bibliotheken gibt es für den Einzelnen keinen freien Zugang zum kostenpflichtigen Wissen dieser Welt. Deshalb ist ihre hohe Qualität für eine demokratische Gesellschaft unverzichtbar.

Eine Bibliothek wie die Zentral- und Landesbibliothek Berlin hat uns bis 2015 mit ungefähr 28.000 neuen Buchtiteln pro Jahr tatsächlich das Beste vom deutschsprachigen Buchmarkt geboten, auf dem jedes Jahr ca. 75 bis 90.000 Titel neu erscheinen. Und auch der deutsche Buchmarkt ist etwas ganz Besonderes. Er ist einzigartig in seiner großen Vielfalt der Verlage. Dafür wird Deutschland, also eigentlich der deutsche Sprachraum, übrigens von vielen Ländern bewundert.

Was die Leser wollen

Diese Vielfalt in der Zentral- und Landesbibliothek ist seit 2016 bedroht, obwohl doch die Arbeit der ZLB bis 2015 genau den Wünschen des Publikums entsprach. Das beweist nicht nur die hohe Ausleihzahl von 3,4 Mio. Medien pro Jahr.

Bei repräsentativen Umfragen zur Nutzung von Bibliotheken liegt nämlich die Medienauswahl und -nutzung immer mit weitem Abstand vor allen anderen Nutzerbedürfnissen. So stand bei der repräsentativen Umfrage „NuMoB – Nutzermonitoring für Bibliotheken“in Berlin für 79% der Nutzer die Medienauswahl im Mittelpunkt. Nur 48% legten Wert auf das Arbeiten in der Bibliothek und nur 5% auf Veranstaltungen in der Bibliothek. Eine NuMoB-Umfrage in Hamburg kam zu ganz ähnlichen Ergebnissen. Auch die bundesweite Allensbach-Studie „Die Zukunft der Bibliotheken in Deutschland“von 2016 ist da ganz eindeutig: 76 Prozent der Befragten möchten vor allem ein umfangreiches Angebot an Büchern, E-Books, Zeitschriften, Musik und Filmen.

Doch die Leitung der ZLB will das nicht anerkennen: „In unserer sich wandelnden Gesellschaft mit Zugang zu Informationen und Medien rund um die Uhr im Internet, kann und darf der Schwerpunkt bibliothekarischer Arbeit nicht mehr auf dem Bestandsaufbau liegen“, liest man auf derWebsite der ZLB. Wie die Umfragen jedoch gezeigt haben, sieht das Publikum das offensichtlich ganz anders. Solche Behauptungen sind also völlig falsch.

Schock-Strategie für die Zukunft?

Trotz dieser klaren Prioritäten der Leserschaft soll die Medienauswahl in der ZLB zukünftignicht mehr im Zentrumihrer Arbeit stehen. Der Bestandsaufbau wurde in einem Blitzverfahren, einer Art Schock-Strategie, wie Naomi Klein das einmal genannt hat, innerhalb von nur zwei Jahren privatisiert, um Personal für nicht näher bestimmte, völlig vage „Zukunftsaufgaben“wie z. B. Veranstaltungen und andere Events freizustellen.

Dabei funktioniert hier das Wort „Zukunftsstrategie“wie ein Kampfbegriff gegen die Bibliothek. Eine gute Zukunftsstrategie im Sinne des Publikums muss sich dagegen aus dem Bestandsangebot der Bibliothek entwickeln, muss es besser erschließen und in den digitalen Bereich ausweiten, denn das Bestandsangebot ist das Beste und Wertvollste, was die Bibliothek hat.

Doch eine solche in sich stimmige, ausformulierte digitale Agenda der ZLB gibt es gar nicht. Stattdessen wird alle Kraft auf die unbedingte Privatisierung genau dieses Kernbereichs der Bibliothek konzentriert.

Fachleute in öffentlichen Einrichtungen sind unverzichtbar

Der erste Schritt der Privatisierung war eine personelle Sache: Das war die Demontage der Fachlektoren mit ihren langjährigen Erfahrungen in insgesamt 27 Fachgebieten, der Kinder- und Jugendbibliothek und zwei Spezialbereichen, der Berlinsammlung und der Senatsbibliothek. Diese Fachlektoren waren für die Auswahl und den Ausbau der Medienbestände verantwortlich. Sie waren durch ihre langjährige Praxis gründlich vertraut sowohl mit ihrem Teil des Buch- und Medienmarkts, als auch mit der Struktur der vorhandenen Medienbestände in ihren Fachgebieten. Diese mussten sie entsprechend der Weiterentwicklung ihres Fachs passgerecht ergänzen, und zwar nach sorgfältig erarbeiteten, schriftlich festgelegten Bestandsprofilen, an die alle gebunden waren.

Das bessere Modell

Für jedes Fach wurden jeweils passende, differenzierte Beschaffungswege festgelegt z. B. die Komplettübernahme bestimmter Verlagsprogramme, festgelegter Reihen, Bestenlisten u. ä. Es ist also nicht wahr, dass hier, wie von Leitungsseite der ZLB und vom Kultursenat immer behauptet wird, jedes einzelne Buch auf altertümliche Weise „per Hand“ ausgesuchtwurde.

Auch die Marktsichtung war sehr effektiv und zugleich von hoher Qualität, weil sie nämlich in Zusammenarbeit mit spezialisierten Fachbuchhändlern als Gegenpart zum Fachlektor ablief. Dafür ein Beispiel: Der in Berlin renommierte Fachbuchhändler für Theater und Film in der Buchhandlung Bücherbogen, Joachim Weiduschat , gleich hier um die Ecke am Savignyplatz,sicherte lange Zeit in Zusammenarbeit mit dem entsprechenden Fachlektorat der ZLB eine schnelle und kompetente Auswahl der relevanten Literatur auf allen Niveaus, und zwar national und international, sehr zur Freude des interessierten Publikums.

Einen solchen Stab von Fachlektoren, bzw. Fachreferenten gibt es, im Gegensatz zu den Behauptungen von Kultursenat und Leitung der ZLB, in fast jeder großen Bibliothek. Das ist sozusagen Standard. Sie sind ebenso unverzichtbar wie die Redakteure von Zeitungen oder die Lektoren in Verlagen. Denn das alles sind Institutionen, in denen die Inhalte im Mittelpunkt stehen. Ohne einen solchen Stab von inhaltlich spezialisierten Fachleuten ist eine große Bibliothek auch in anderen Bereichen kopflos, z. B. im Fachauskunftsdienst, bei der Auswahl von Datenbanken und digitalen Diensten, bei fachlichen Fortbildungsangeboten für das Publikum und beim Betrieb sozialer Medien mit der Klientel, die sich für das jeweilige Fachgebiet interessier

Gemeinnützige Arbeit wird kommerzialisiert

Dieses inhaltliche Rückgrat der Bibliothek wurde Zug um Zug gebrochen. Oberstes, explizit formuliertes Ziel dabei war, wie es die Leitung der ZLB formulierte, ein "Höchstmaß an wirtschaftlichem Einsatz von Fremddienstleistungen". Ein autokratischer Leitungsstil sollte die Durchsetzung gegen jeden Widerspruch gewährleisten. Es hieß, die Beschäftigten müssten, wegen einer angeblich schwierigen Betriebskultur, "eng geführt werden“.

Die gewachsene fachliche Verbindung zwischen Fachlektorat und Fachgebiet wurde gekappt. 17 Fächer verloren ihre Fachlektorinnen und -lektoren, nur 8 wurden beibehalten. Die Zahl der Fachlektoren in der Erwachsenenbibliothek wurde von 25 (2013) auf 15 (2016) reduziert, die nun zum Teil willkürlich zusammengewürfelte Fächerkombinationen zu bearbeiten hatten. Eine umfassende fachliche Fortbildung gab es nicht. Damit wurde Erfahrungswissen in großem Umfang vernichtet, das nun für Bibliothek und Publikum fehlt.

Die Eigenständigkeit der Fachlektoren wurde abgeschafft und eine mehrstufige, weisungsbefugte Hierarchie etabliert. Die Leitungspositionen in diesen hierarchischen Strukturen wurden neu besetzt. Nur noch dort finden noch konzeptionelle Beratungen statt. Die Arbeit der übrig gebliebenen Fachlektoren wurde dagegen auf eine reine Zuarbeit reduziert.

Die erste Stufe der Auslagerung: Die Qualität sinkt

In einer ersten Stufe des Outsourcings wurde 2016 das fertige, in ganz Deutschland einheitliche Paketangebot der ekz.bibliotheksservice GmbH  (EKZ) in Reutlingen abonniert. Die EKZ, heute ein Privatunternehmen, zu Zweidrittel im Besitz eines ehemaligen Bertelsmann-Managers, arbeitet eigentlich nur für kleine und mittlere öffentliche Bibliotheken. Für diese stellt sie ihr einheitliches Paketangebot zusammen, ganz überwiegend aus Ratgebern, Genreliteratur und populären Sachbüchern. Wie von den Fachlektoren erwartet, erwies es sich als unpassend für eine so große und differenzierte Bibliothek wie die ZLB. Zusammen mit dem Outsourcing in der Kinder- und Jugendbibliothek wurden damit insgesamt knapp 50% der Anschaffung der ZLB privatisiert, was der eigentliche Zweck dieser Maßnahmen war.

Dagegen gab es bereits 2015 massive Leserproteste in einer Petition mit 20.000 Unterzeichnern. Und die Linke kündigte daraufhin in ihrem Wahlprogramm zur Abgeordnetenhauswahl 2016 an, das Outsourcing an die ekz.bibliotheksservice GmbH  rückgängig zu machen, da ZITAT: „mit dieser Entscheidung die zentrale Kompetenz einer guten allgemeinwissenschaftlichen Bibliothek weitestgehend vernichtet (!) werde.

Als Alibi behaupteten die Leitung der ZLB und die Kulturverwaltung in der Öffentlichkeit, es werde nur outgesourct, was sowieso jede öffentliche Bibliothek in Deutschland kaufen müsse. Keine Sorge also! Außerdem stünden hinter der Auswahl der EKZ 300 kompetente Bibliothekare einer bundesweiten Lektoratskooperation. Auf solche Versprechen fiel so manche Sprecherin im Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses herein.

Die zweite Stufe der Auslagerung: Privatisierung fast total

Wie unglaubwürdig diese Argumentation war, zeigte sich in der zweiten Stufe der Privatisierung für 2017/2018. Nun wurde fast die gesamte Medienauswahl outgesourct an einen Großbuchhandelskonzern, der dafür vielleicht fünf, sechs, sieben, acht Buchhändler oder auch Bibliothekare beschäftigt. Von 300 auf eine oder zwei Handvoll, dafür aber doppelt so viel Volumen? Wie will man das jetzt der Öffentlichkeit als Verbesserung verkaufen?

Der entscheidende Schritt zur endgültigen Demontage der ZLB  ist die Vergabe fast der gesamten Buch- und Medienbeschaffung an den Großbuchhandelskonzern Hugendubel. Damit werden nicht mehr nur einzelne Dienstleistungen, sondern die Bibliothek selbst in ihrem wesentlichen Teil komplett ausgelagert. Es handelt sich also eigentlich nicht mehr um ein Outsourcing, sondern um die Privatisierung der Bibliothek selbst. Das Branchenblatt „Buchreport“ brach deshalb auch in Jubel aus: „Hugendubel Fachinformationen freut sich über einen großen Fang...“ und weiter „Dass Hugendubel Fachinformation... unfreiwillig mit ins Kreuzfeuer geraten ist („Neues Deutschland titelte „Die Hugendubelisierung“), wird man in der Münchner Zentrale angesichts des Auftragsvolumens wohl verschmerzen können.“ (Buchreport vom 6.9.2017)

Die Hugendubelisierung für eine andere Bibliothek

Wie sieht im Detail denn nun diese „Hugendubelisierung“ aus, ein Begriff, mit dem die Vorsitzende des Berliner Landesverbands von ver.di - Susanne Stumpenhusen -  die Sache auf den Punkt gebracht hat.

Entscheidend ist der Ersatz des bisher anspruchsvollen, universellen Profils einer öffentlich-wissenschaftlichen Bibliothek von 2012 durch eine völlig andere Ausrichtung der ZLB auf  zwei Aspekte: auf ein populistisches Freizeitprofil und ein rein zweckgerichtetes Profil für die Ausbildung. Wörtlich legt die Ausschreibung als Leitlinie für alle einzelnen Fächerprofile Folgendes fest: „

  • Freizeit/Unterhaltung: populäre Medien, Ratgeber, Hobby, Kreative, Spaß
  • Lernen/Lehren: Auszubildende, Schüler/Abiturienten, Fortbildungswillige/lebenslanges Lernen, Erzieher/Erziehende, Berufstätige.
  • Vielfalt: Zugezogene, Migrationshintergründe, Geflüchtete, alle Generationen – jung bis alt, partizipative Stadt.“ (Zitat aus der veröffentlichten Fassung der Ausschreibung auf der Website der ZLB)

Mit einem solchen Profil wird die ZLB fast vollständig auf das übliche Angebot öffentlicher Bibliotheken reduziert, zum Teil sogar noch unter deren Niveau. Ihre besondere Vielfalt und Qualität, die sie bisher von allen anderen öffentlichen Bibliotheken in Deutschland und auch in Europa unterschieden hat, muss sie jetzt aufgeben. Das ist eine ganz andere Bibliothek, als das Berliner Publikum sie kennt und schätzt. Das Land Berlin verliert damit eine bedeutende Kultur- und Bildungsressource und den Bezirksbibliotheken wird ein wichtiger Hintergrundbestand entzogen.

Das funktionale Menschenbild

Besonders erschreckend ist: Das neue Profil zeigt ein rein funktionales Menschenbild zwischen Unterhaltung und Beruf. Lebenslanges Lernen ist sicherlich eine nützliche Sache, aber Lebenslang, das bekommt man normalerweise für Mord. Wo bleibt hier der freie Mensch, der sich ungebunden, völlig zweckfrei aus purem Interesse mit Kunst, Musik, Literatur, Geschichte, Gesellschaft, Philosophie, Religion, Naturwissenschaft oder Technik befassen will?

Diese neue Linie spiegelt sich auch in der Etatverteilung wieder.

  • Die Fachgebiete für Erwachsene, ohne Spezialbereiche, Hobbybereich und Kinder- und Jugendbibliothek, bekommen noch nicht einmal die Hälfte des Erwerbungsetats, also nur 46% von ca. 860.000 Euro Gesamtetat.
  • Gleichzeitig  ist dieser Bereich der Bibliothek mit dem höchsten Nutzerinteresse besonders stark von der Privatisierung betroffen. Hier, wo das Fachwissen von erfahrenen Fachlektoren am Nötigsten wäre, werden 84% privatisiert. Vom Gesamtetat über alle Teile der Bibliothek berechnet sind es 76%, und nicht wie die Leitung behauptet 70%.

Eine neoliberale Strategie

Die Zerrüttung öffentlicher Einrichtungen durch solche Methoden, wie sie die ZLB derzeit hinnehmen muss, ist eine typische neoliberale Strategie. Der britische Sozialdemokrat Colin Crouch hat diese Methoden und ihre Folgen am Beispiel des New Public Management in Großbritannien untersucht. Zwei Dinge haben sich seiner Ansicht nach als hochgradig problematisch erwiesen:

  • Man wendet sich immer gegen die Fachkräfte, die mit ihrem fachlichen Ethos einer Ausrichtung der Betriebsführung nach quantifizierbaren Leistungsmerkmalen entgegenstehen – in der ZLB nennt man das „Kennzahlengestützte Steuerung“ .
  • Und man verfolgt die Idee einer Angleichung an den privaten Sektor, indem alle Macht innerhalb eines Betriebs in den Händen der Manager konzentriert wird, während die qualifizierten Mitarbeiter entmachtet werden -  so wird der ZLB seit 2012 von Kulturverwaltung und Stiftungsrat eine fachliche Direktion verweigert.

            (siehe Colin Crouch: Die bezifferte Welt. Wie die Logik der Finanzmärkte das Wissen       bedroht. Berlin: Suhrkamp, 2015, S. 108)

Was Colin Crouch hier formuliert hat, ist genau das, was zurzeit in der Zentral- und Landesbibliothek Berlin geschieht. Eine Akzeptanz dafür in der Belegschaft gibt es nicht. Zwei Drittel der Fachlektoren haben der Kulturverwaltung schriftlich mitgeteilt, dass sie die Privatisierung der Buch- und Medienauswahl der ZLB ablehnen.

                                                                                                                                  Peter Delin                 

 Neuausrichtung der ZLB scheidet die Geister

Kontroverse Debatte im „Terzo Mondo“

Detlef Bimboes

Auf der gut besuchten Veranstaltung des Sozialpolitischen Arbeitskreises (SAK) der Linken am 26. Oktober ging es teilweise hoch her. Der Arbeitskreis im Bezirksverband Charlottenburg-Wilmersdorf hatte eingeladen, weil er das Outsourcing zentraler Aufgaben der Berliner Zentral und Landesbibliothek (ZLB) an den Buchhandelskonzern Hugendubel ablehnt. Das ist Teil der Neuausrichtung und Gegenstand einer Kontroverse, die schon seit mehreren Jahren zwischen Personalrat, ver.di und der Bibliotheksleitung ausgetragen wird. Für die Diskussion fand der SAK Unterstützung durch den Referenten und ehemaligen langjährigen Lektor Peter Delin an der ZLB, die Gewerkschaftssekretärin Jana Seppelt und den Personalratsvorsitzenden Lothar Brendel. Seitens der Senatsverwaltung für Kultur nahmen Staatssekretär Dr. Torsten Wöhlert (Die Linke) und ZLB-Managementdirektor Volker Heller teil.

Hier soll nur ein erster Eindruck und Überblick in das kontrovers diskutierte Thema gegeben werden, insbesondere für jene, die sich damit bislang nicht näher befasst haben. Deshalb wird hier auch auf das pro und contra nur kurz eingegangen. Diesbezüglich können einige wichtige Argumente dem Anhang entnommen werden. Ausführlicheres dazu soll vorbereitet werden*.

Das einzigartige Profil der ZLB geht verloren

Eingangs hielt Peter Delin einen kompetenten und sachlichen Vortrag und beschrieb zunächst das einzigartige Profil der Zentral- und Landesbibliothek Berlin für die allgemeine Bevölkerung Berlins. Er schilderte im Ablauf, wie das Management der ZLB nach dem Regelwerk des Change-Managements mit autokratischem Leitungsstil, seit 2014, systematische Struktur- und Profiländerungen mit einem von Volker Heller dafür eingesetzten Leitungsstab vorantreibt**. Leitlinie ist dabei nicht die Weiterentwicklung des Erfolgsmodells ZLB auf qualitativ höchstem Niveau, sondern die regressive Umwandlung einer einzigartigen Kultur- und Bildungseinrichtung nach kennzahlengestützten Kriterien. Sie soll mit dem Ziel betrieben werden, ein „Höchstmaß an wirtschaftlichem Einsatz von Fremddienstleistungen“ (Volker Heller) zu ermöglichen.

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  * Zum pro und contra der Neuausrichtung der ZLB soll noch detaillierter informiert

     werden auf der Homepage des SAK.

** Der Vortrag ist auf der Homepage des SAK veröffentlicht.

 

Outsourcing von Buchbeschaffungen auch als bundesweites Modellprojekt Es geht nicht nur darum, die ZLB mehr und mehr zu einer Eventbibliothek umzubauen, sondern auch darum, Zeichen für andere große Bibliotheken im Bundesgebiet zu setzen. Für diese Umstrukturierung der ZLB wurde die Zahl der Fachlektoren im Bereich Erwachsenenbibliothek allein zwischen 2013 und 2015 von 25 auf 15 reduziert, die nun z. T. willkürlich zusammengewürfelte Fächerkombinationen zu bearbeiten hatten. Dabei ging eine Menge an Knowhow verloren. Schließlich haben die Lektoren 10 oder 15 Jahre lang qualifiziert einzelne Sachgebiete bearbeitet.

Bereits im Jahre 2016 war die Hälfte der Buchbeschaffung erstmalig an die beiden privaten Großbuchhandlungen ekz.bibliotheksservice GmbH in Reutlingen und Hugendubel in München outgesourct worden. Daran konnte auch der Protest von 20.000 LeserInnen nichts ändern. Inzwischen ist im Mai dieses Jahres mit Zustimmung von Kulturstaatssekretär Dr. Torsten Wöhlert (Die Linke) beschlossen worden, dass künftig nach offiziellen Angaben nun sogar über 70 Prozent des Bucherwerbs der ZLB über die Hugendubel Fachinformationen GmbH laufen wird. Wie Gewerkschaftssekretärin Jana Seppelt in Junge Welt vom 01.11.17 mitteilte, läuft der „Vertrag über drei Jahre, mit zweijähriger Verlängerungsoption bis 2022. Der outgesourcte Medienetat liegt bei 700.000 Euro jährlich“. Damit wird die Weiterentwicklung einer sinnvollen Kooperation der Kolleginnen und Kollegen mit spezialisierten lokalen, kleinen und mittleren Fachbuchhändlern weitgehend abgebrochen zugunsten des Buchhandelskonzerns Hugendubel.

Verflachung des Bildungsangebots ist abzusehen

Soweit bekannt, stellt Hugendubel für die Medienaufbereitung drei weitere Mitarbeiter ein und schafft im Bibliotheksteam, das auch andere Kunden betreut, zwei neue Stellen.

Es ist schlicht nicht möglich, dass die wenigen, bei Hugendubel dafür tätigen Beschäftigten 29 Wissensfächer der größten öffentlich-wissenschaftlichen Bibliothek in Deutschland so differenziert bearbeiten können wie eigene Fachlektoren der Bibliothek mit Kenntnis des Bibliotheksbestandes und der Leserschaft. „Damit wird – so Jana Seppelt - die ZLB langfristig ihre inhaltliche Kompetenz weitgehend verlieren“.

Die wenigen verbliebenen Lektoren sind nun fachlich nur noch verantwortlich für die Erstellung von Erwerbungsprofilen, die Signaturvergabe für die Neuzugänge und deren „prozessbegleitende Evaluierung und Kontrolle der Qualitätssicherung“. Ein solches Qualitätsmanagement der ZLB soll dafür sorgen, dass die bislang bestehende Beschaffungsqualität erhalten bleibt. Das dürfte kaum einzuhalten sein. Denn zum einen verlieren die Lektoren durch die fehlende Praxis im Umgang mit dem Buchmarkt notgedrungen ihre Kompetenz zur Evaluierung, da sie ziemlich schnell nicht mehr wissen können, was nicht von Hugendubel geliefert worden ist. Zum anderen greift Evaluierung und Qualitätskontrolle im Regelfall nicht unmittelbar in den Bestellprozess ein, sondern schaut immer nur im Nachhinein und zudem nur stichprobenartig auf die erzielten Ergebnisse der Fülle an bestellten Bücher und ob sie konkret für den jeweiligen Zweck richtig ausgewählt wurden. Insgesamt wird sich deshalb die inhaltliche Verflachung des Buchbestandes erst längerfristig bemerkbar machen.

Ein erstes Fazit – die Differenzen bleiben bestehen

Peter Delins Ausführungen und Schlussfolgerungen, denen sich auch Jana Seppelt und Lothar Brendel im Verlaufe der Diskussion anschlossen, wurden von Staatssekretär Dr. Torsten Wöhlert (Die Linke), der Leitung der ZLB wie auch weiteren RednerInnen nicht geteilt. Die Neuausrichtung berge keine Qualitätsverluste für die die Bibliothek. Das gelte auch für angestrebte Beschaffungslösung mit dem Buchhandelskonzern Hugendubel. Sie bekräftigten die getroffenen Entscheidungen. So dürfe der Schwerpunkt bibliothekarischer Arbeit nicht mehr auf dem Bestandsaufbau liegen. Die ZLB müsse auch den Blick auf eine sich wandelnde Gesellschaft richten, die Zugang zu Informationen und Medien rund um die Uhr im Internet hat.

In der Gesamtwertung erschienen dem SAK die Darlegungen seitens Kulturverwaltung und ZLB-Leitung nicht plausibel und teils widersprüchlich. Insbesondere war die Behauptung zum Outsourcing nicht überzeugend, dass ein gewinnorientierter Buchhandelskonzern - der zudem ohne bildungs- und kulturpolitischen Auftrag handelt - eine qualifizierte Medienauswahl in gleicher Weise leisten kann, wie die Fachlektoren der ZLB, zumal die öffentliche Einrichtung ihre Fachkompetenz zur Medienauswahl damit unwiderruflich verlieren wird.

 Ein Teilnehmer hat es nach der Veranstaltung auf den Punkt gebracht:

"Wenn ein Konzern eine öffentliche Aufgabe übernimmt, dann macht er das nur, wenn er daran verdient. Es geht um seinen Profit. Die Qualität der Aufgabenwahrnehmung spielt eine untergeordnete Rolle. Wer diesen Grundsatz unserer Ökonomie nicht begreift, dem ist nicht zu helfen. Wenn der Hugendubel-Konzern nun die Medienbeschaffung für die ZLB macht, geschieht genau das. Die katastrophalen Folgen solcher Privatisierungen, beschönigend oft "outsourcing" genannt, kann man sich landauf landab inzwischen ansehen. Nur in der Berliner Kulturverwaltung scheint das nicht angekommen zu sein“.

Einige Argumente zum pro und contra der Neuausrichtung der Zentral- und Landesbibliothek (ZLB)

 

 

Privatisierung - ja oder nein

 

Die Kulturverwaltung bestreitet eine Privatisierung

Kulturstaatssekretär Dr. Torsten Wöhlert (Die Linke) vertrat die Ansicht, es handele sich bei den Maßnahmen nicht um eine Privatisierung von Aufgaben an den Großbuchhandel, weil die Lektoren nicht entlassen werden und sich nur deren Aufgabengebiet verändere. Zudem hätten die ZLB-LektorInnen Erwerbungsprofile für die einzelnen Fachgebiete erstellt. Dadurch steuern sie die Mitarbeiter bei Hugendubel, die die Medien auswählen. Außerdem sollen Qualitätskriterien entwickelt werden, mit denen nachjustiert werden könne.

 Der Managementdirektor der ZLB, Herr Heller, behauptete, dass die Bestandsauswahl sowieso nicht mehr im Mittelpunkt bibliothekarischer Arbeit stehen könne. Dem stellte er den Begriff der Publikumsorientierung entgegen. Eine Verflachung des Angebots drohe durch das neue Bestandsmanagement nicht, da es sich um ein erprobtes und bewährtes Verfahren in Bibliotheken handele. Die Bibliothekare sollen stattdessen vermehrt für Vermittlungstätigkeiten und zur Durchführung von Veranstaltungen eingesetzt werden.

 Weshalb das Outsourcing eine Privatisierung ist.

Das Handelsmagazin buchreport berichtet am 06.09.2017 freimütig: „Für die Medienaufbereitung werden 3 weitere Mitarbeiter eingestellt. Im Bibliotheksteam (…) werden 2 neue Stellen geschaffen.“ Ein Outsourcing von Aufgaben an den Großbuchhandel - nur der konnte sich auf die Ausschreibung bewerben - ist damit eindeutig.Hugendubel stellt Personal für Aufgaben ein, die zuvor in der Bibliothek erledigt wurden.Für den Gesamtvorgang ist die Bezeichnung Privatisierung also völlig zutreffend.

 Entgegen allen Behauptungen liegt die alleinige Kenntnis des Medienmarkts perspektivisch ausschließlich auf Seiten von Hugendubel, also komplett im privaten Bereich. Die Mitarbeiter der ZLB können Hugendubel gar nicht mehr „steuern“, wie die Leitung der ZLB das nennt, da ihre Praxis der Marktsichtung vollständig an den Großbuchhändler übergeht und sie damit zwangsläufig ihre eigene Marktkenntnis verlieren werden. Nach einer Einführung für die Buchhändler bei Hugendubel übernehmen diese dann das Steuer und die Fachlektoren der ZLB gucken auf dem Beifahrersitz zu, wohin die Reise geht. Da helfen auch keine Profile mehr. Die ZLB ist als Bibliothek dann nur noch ein Schauraum für die Medienauswahl von Hugendubel.

 

 

 

 

Privatisierung - ja oder nein

 

Zweifelhaftes Qualitätsmanagement

Die wenigen verbliebenen Lektoren sind fachlich nur noch verantwortlich für die Erstellung von Erwerbungsprofilen und deren „prozessbegleitende Evaluierung und Kontrolle der Qualitätssicherung“. Ein solches, betriebswirtschaftlich angelegtes Qualitätsmanagement der ZLB soll dafür sorgen, dass die bislang bestehende Beschaffungsqualität erhalten bleibt. Durch die fehlende Praxis im Umgang mit dem Buchmarkt verlieren die Lektoren aber notgedrungen die Kompetenz zur Evaluierung, da sie ziemlich schnell nicht mehr wissen können, was nicht von Hugendubel geliefert worden ist. Das mögliche Medienangebot des Buchmarkts wird für die Lektoren damit zur "Black Box". Eine objektive Evaluierung ist also schon nach kurzer Zeit gar nicht mehr möglich. Sonst müssten sie ja die Marktsichtung parallel zur Arbeit von Hugendubel noch einmal wiederholen.

 Zudem greift Evaluierung und Kontrolle im Regelfall nicht unmittelbar in den Bestellprozess ein, sondern schaut immer nur im Nachhinein auf die erzielten Ergebnisse der Fülle an bestellten Bücher und ob sie konkret für den jeweiligen Zweck richtig ausgewählt wurden. Evaluation hat primär den Sinn, aus der Kenntnis von Erfolgen und Misserfolgen zu lernen und zukünftige Programme bzw. Maßnahmen besser angehen zu können. Durch die Festlegung von Erwerbungsprofilen – die allein von der Sache her nicht messerscharf, sondern nur orientierend angelegt sein können - dürfte es konkret zu einer Fülle von Ermessensentscheidungen bei der Buchauswahl durch die Buchhändler von Hugendubel kommen. Inwieweit diese tatsächlich dem entsprechen, was erfahrene, mit sozialer und humaner Bildung ausgestattete Lektoren bestellen würden, die in unmittelbarem Kontakt mit ihren Lesern, deren Wünschen und Interessen stehen, darf bezweifelt werden.

 

Im Übrigen kann die Kontrolle der Qualitätssicherung auch nur stichprobenartig erfolgen und deshalb wird sich die inhaltliche Verflachung des Buchbestandes erst längerfristig bemerkbar machen. Für die absehbare Verflachung muss man sich noch einmal die Größenordnung der Beschaffungen vor Augen halten. 31.500 Bücher und Medien soll der Großbuchhändler für die ZLB auswählen. Das ist einer der größten Bestandszugänge in deutschen Bibliotheken.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Privatisierung - ja oder nein

 Outsourcing als bundesweites Modellprojekt

Der Managementdirektor der ZLB, Volker Heller, behauptet gerne, dass es sich bei dem Outsourcing der Bestandsauswahl und -beschaffung an Hugendubel um ein bewährtes und erprobtes Verfahren handelt. Das ist jedoch selbst nach seiner eigenen Aussage nicht zutreffend. Er versteht derartige Buchbeschaffungen vielmehr als bundesweites Modellprojekt. So schreibt  Herr Heller auf der Webseite der ZLB zum Outsourcing der Medienauswahl und -bearbeitung:

 „Wir freuen uns auf neue Erfahrungen und sind guten Mutes, dass dieses Modell zukunftsweisend für den Erwerb in Öffentlichen Bibliotheken sein wird.“

 

Diesen frohen Mut teilt er sicherlich mit den geschäftlichen Erwartungen des Buchhandelskonzerns Hugendubel. Doch die geplante Privatisierung des Kernbereichs der ZLB kann durchaus einen bundesweiten Flurschaden in den großen öffentlichen Bibliotheken anrichten. Umso wichtiger ist es, diese Privatisierung einer gemeinnützigen Tätigkeit zu verhindern.

 

 

Was andere dazu sagen

 

 Die Landesarbeitsgemeinschaft Kultur der Partei DIE LINKE in einer Erklärung am 24. März 2017:

Die Zentral- und Landesbibliothek (ZLB) ist nicht nur „die größte öffentlich-wissenschaftliche Bibliothek Deutschlands, sondern auch die meistgenutzte Bildungs- und Kultureinrichtung Berlins. Das ist sie auch wegen der Qualität ihres Medienbestandes geworden. Ihrem Auftrag entsprechend ermöglicht sie tiefergehende Information in einem breiten Themen-Spektrum und bietet bedeutsame Spezialsammlungen. Zugleich ergänzt sie – im Netz öffentlicher Bibliotheken Berlins – das Angebot an aktuell nachgefragten Medien. Das Gleichgewicht dieser Doppelrolle ist in Gefahr, wenn die Erwerbungspolitik von externen Unternehmen bestimmt wird.“

 

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di in einer Presseerklärung am 30.03.2017:
„Das Outsourcing von Kernbereichen der Bibliothek kann nicht im Interesse des Landes Berlin und der Berlinerinnen und Berliner liegen. Unserer Auffassung nach muss eine Grundsatzentscheidung für einen fachlich fundierten Bestandsaufbau in der Hoheit der Fachlektorate getroffen werden, die an die Fachauskunft für das Publikum gekoppelt ist“, so Susanne Stumpenhusen.

Was andere dazu sagen

 

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di Betriebsgruppe ZLB in einer Presseerklärung am 19.04.2017:

„Ein guter Bestand ist auch heute ein Hauptmerkmal einer guten Bibliothek. Dieser kann nur erreicht werden, wenn fachliche Gesichtspunkte für die Zusammenarbeit von Fachbibliothekaren mit Fachbuchhandlungen eine Rolle spielen und nicht die Geschäftsinteressen von Großbuchhändlern im Vordergrund stehen.“

 

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di in einer Presseerklärung am 29. August 2017:

„Die Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB) soll die Auswahl und Bearbeitung der Bücher und Medien nahezu komplett an die Privatwirtschaft übergeben. Den Zuschlag soll der Münchner Buchhandelskonzern Hugendubel erhalten. Dies beabsichtigen die Bibliotheksleitung der ZLB, der Stiftungsrat der ZLB und die Senatsverwaltung für Kultur. „Wir fordern die für die Berliner Kulturpolitik Verantwortlichen auf, die weitreichenden Outsourcingpläne mit dem Buchhandelskonzern Hugendubel zu verhindern“, so Susanne Stumpenhusen, Landesbezirksleiterin von ver.di“. „Werden die Pläne umgesetzt, droht eine Verflachung des Medienangebotes. Wir protestieren dagegen, dass die Medienauswahl und – bearbeitung als Kernkompetenz bibliothekarischer Arbeit mit Steuergeldern an den privaten Großbuchhandel ausgelagert werden.“ Die beabsichtigte Maßnahme gefährdet neben Lektoratsstellen auch Stellen in der Medienbearbeitung und Katalogisierung“.

 

Die Handelszeitschrift buchreport in ihrer Ausgabe vom 6. September 2017:

„Hugendubel Fachinformation freut sich über einen großen Fang: Die Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB)…Die Geschäfts- und Großkundentochter des Buchfilialisten spricht schon jetzt  von einem „Referenzkunden par excellence“: „Die Beschaffungsarbeit für die ZLB soll den wachsenden Bibliotheken-Geschäftsbereich des Fachhändlers weiter stärken... Dass Hugendubel Fachinformation... unfreiwillig mit ins Kreuzfeuer geraten ist („Neues Deutschland titelte „Die Hugendubelisierung“), wird man in der Münchner Zentrale angesichts des Auftragsvolumens wohl verschmerzen können:

Etwa 70% des ZLB-Erwerbs wird künftig über Hugendubel Fachinformationen laufen.

• Der Vertrag läuft ab 2018 zunächst über drei Jahre (mit Verlängerungsoption bis 2022).

• Der Medienetat liegt bei 2,2 Mio Euro, also rund 700.000 Euro jährlich.

•  Hinzu kommen Dienstleistungskosten, weil regalfertig geliefert wird“.